Wenn ihr die Rocket League Championship Series (RLCS) seit Anfang an verfolgt, kennt ihr den ehemaligen Profi-Spieler und etablierten RLCS-Kommentator Turtle. Als der 21-Jährige, besser bekannt unter seinem richtigen Namen, Isaac App, im Jahr 2018 seinen Octane für immer in der Garage abstellte und zum Headset griff, war er die perfekte Ergänzung für das Kommentatoren-Team. Mit seinem umfangreichen Wissen als ehemaliger Profi und seiner lebhaften Art verfügt er über ein einzigartiges Talent und ist der geborene Kommentator. Wenn man bedenkt, dass Isaac zunächst auf Homeschooling umstellte, um sich auf Rocket League zu konzentrieren, dann den Controller an den Nagel hängte, um Kommentator zu werden, während er gleichzeitig seine Musikkarriere ankurbelte, ist sein Werdegang alles andere als normal.
Isaac begeisterte sich schon in jungen Jahren für Videospiele. Seine Großmutter schenkte ihm seine allererste Konsole, den Game Boy Advance SP, und entfachte damit seine erste Leidenschaft. Isaac, der aus Phoenix, Arizona, stammt, machte mithilfe von YouTube-Anleitungen den Sprung vom Handheld-Gerät zu PC-Spielen. Er sagt, YouTube war in seiner Jugend für ihn wie Kabelfernsehen. Auf YouTube lernte er verschiedene Creators und Spiele kennen, darunter sein erstes Spiel, für das es Turniere gab, Team Fortress 2 (TF2). Mit elf Jahren spielte Isaac auf Amateurebene mit doppelt so alten Teamkollegen.
„Ich weiß gar nicht mehr, wie ich sie damals kennenlernte, aber das war meine erste Begegnung mit dem E-Sport“, erinnert sich Isaac. „Ich meldete mich an, und wir nahmen dann an kleineren öffentlichen Turnieren teil. Wir waren nicht schlecht. Ich nahm es in dem Alter wirklich ernst, aber um ehrlich zu sein, haben wir meistens verloren [lacht].“
Während der Mittelstufe und zu Beginn der High School spielte er drei Jahre lang durchgehend TF2. Danach versuchte es Isaac mit anderen Titeln wie Counter Strike: Global Offensive, jedoch nie auf einem derart kompetitiven Niveau wie bei TF2. Er probierte weiter verschiedene Aktivitäten und Hobbys aus, um seine wahre Leidenschaft zu finden. So begeisterte er sich unter anderem für Fußball. Eine Verletzung machte ihm jedoch einen Strich durch die Rechnung.
„Ich habe schon als Kind Fußball gespielt und habe mich wirklich dafür interessiert“, so Isaac. „Im ersten High-School-Jahr trainierte ich zur Probe mit der Mannschaft und legte alles daran, aufgenommen zu werden. Aber dann hatte ich ein Problem mir der Wachstumsfuge in der Ferse und konnte kaum laufen. Ich konnte ein, zwei Jahre lang überhaupt keinen Sport treiben. Ungefähr zu der Zeit entdeckte ich Rocket League, was schon ein ziemlich cooler Zufall war. Da ich unheimlich viel Lust auf Fußball hatte, war Rocket League für mich also eine Art Ersatzlösung. Denn es ging im Grunde um digitalen Fußball.“
Wenn Isaac nicht in der Schule war oder seine Hausaufgaben erledigte, spielte er stundenlang Rocket League, um besser zu werden. Er hatte nicht vor, das Spiel einmal professionell zu spielen, bis er dank der Gegnersuche irgendwann plötzlich der Rocket League-Legende „SadJunior“ gegenüberstand.
SadJunior war einer der ersten Top-Profis im E-Sport. Er spielte 2015 für Teams wie Cosmic Aftershock und iBUYPOWER und traf dort auf legendäre Spieler wie „Jacob“ und „Fireburner“. Danach war er auch für E-Sport-Giganten wie NRG, Kings of Urban und weitere Teams aktiv. Anders als seine Mitspieler wusste Isaac damals nicht, wer SadJunior war.
„Ich kann mich deshalb so gut daran erinnern, weil es ein wichtiger Moment in meiner Rocket League-Karriere war“, sagt er. „Ich hatte keine Ahnung, wer SadJunior war, aber meine Teamkollegen flippten völlig aus [lacht]. Nachdem wir das Spiel knapp verloren hatten, googelte ich ihn und fand seinen Twitch-Kanal. Ich fand heraus, dass er streamte, und war total begeistert. Es war schon verrückt zu sehen, wie viele Leute ihm zusahen, weil er anscheinend einer der Besten war, und ich hatte ihn gerade in einem Ranglistenspiel beinahe besiegt! Wir hatten uns tapfer geschlagen, das bedeutete, wir spielten gar nicht schlecht. Ich lud meine zufälligen Teamkollegen während des Spiels als Freunde ein und da wir gegen SadJunior gut abgeschnitten hatten, fingen wir an, kompetitiv zu spielen,. Das war der zündende Funke.“
Isaac versuchte dann ein Jahr lang mit denselben Teamkollegen sein Glück und bemühte sich, sein Spiel zu verbessern. Er wurde gut genug, um bei ESL-Turnieren eine Rolle zu spielen, und qualifizierte sich sogar zusammen mit Garrett „GarrettG“ Gordon und Jaysent „Jayyyrah“ Urra für die RLCS. Er war dank seiner Fähigkeiten auf dem Spielfeld erfolgreich und verfügte über ein gutes Einkommen. Nun stand Isaac vor einer Entscheidung. Ihm war klar, dass er nicht in der Lage sein würde, auf hohem Niveau zu konkurrieren und gleichzeitig die High School zu besuchen, und entschied sich daher für das Homeschooling.
„Ich las und lernte mit meinen Homeschooling-Büchern völlig allein zuhause. So blieb mir noch mehr Zeit, das zu tun, was ich wollte. Dank Rocket League verdiente ich recht gut. Ich wollte meine Zeit dafür nutzen, um mein Spiel zu verbessern, und hielt das für sinnvoller, als zur Schule zu gehen. Ich war eher ungesellig und hatte auch keine Freunde, darum fand ich es witzlos, zur High School zu gehen, wenn mich die Leute sowieso nicht interessierten.“
Zwei Jahre lang nahm Isaac dann regelmäßig an RLCS-Turnieren teil und spielte mit unterschiedlichem Erfolg in einer Handvoll verschiedener Teams. Er war zwar nach wie vor aktiv, widmete sich jedoch immer mehr seiner neuen Leidenschaft: der Musik. Heute schreibt und produziert Isaac seine eigene Hip-Hop-Musik. Seine Liebe zur Musik begann, als er kaum das Haus verließ, weil er die ganze Zeit Rocket League spielte, um besser zu werden.
„Ich hörte schon immer gerne Musik, aber mir fehlte der menschliche Kontakt, weil ich so viel Zeit allein verbrachte“, erinnert er sich. „Damals fing ich dann an, neue Musikstile zu entdecken, und wurde auf Rap und Hip-Hop aufmerksam. Ich entdeckte J. Cole und Logic und hörte viel Old-School-Hip-Hop. Mit dieser Musik fühlte ich mich weniger allein und ich wollte selbst Musik machen. So fing es an.“
Wie man Beats macht, lernte Isaac dann auf dieselbe Weise, wie er damals mit elf Jahren Team Fortress 2 entdeckte: mithilfe von YouTube. Er suchte nach Anleitungen, besorgte sich Software und begann, regelmäßig Beats zu machen. Professionell spielte er Rocket League, während „Hip-Hop“ sein neues Hobby war. Mit der Zeit wurde dieses Hobby dann immer wichtiger. Seine Leidenschaft für Rocket League-Turniere begann langsam zu erlöschen. Mit 18 Jahren wollte sich Isaac dann beruflich verändern.
„Ich hatte keine Lust mehr, an Wettkämpfen teilzunehmen, und wusste, dass ich mit den neuen Leuten nicht mithalten konnte“, erklärt Isaac. „Mir war sonnenklar, dass ich keine Chance gegen Spieler wie meinen Teamkollegen „Chicago“ oder jemanden wie „Scrub Killa“ hatte. Da hätte auch stundenlanges Üben nichts gebracht. Ich spürte, dass mir das Gen fehlte, das sie offensichtlich hatten. Sie waren jung und erfolgshungrig und spielten einfach auf einem anderen Niveau.“
Als seine Karriere bei Rocket League wider Erwarten aufs Abstellgleis geriet, befand sich Isaac gerade im ersten Semester seines Studiums und war auf dem Weg, den Schritt ins Musikgeschäft zu wagen. Zu jenem Zeitpunkt erhielt er dann eine unerwartete Anfrage von Rocket League Esports, bei der es jedoch nicht um die Teilnahme an einem Wettkampf ging. Er war als Kommentator gefragt.
„Ich bekam eine E-Mail von den RLCS-Leuten, in der ich gebeten wurde, am darauffolgenden Wochenende in die Sendung zu kommen, und sagte sofort zu“, so Isaac. „Das sollte alles verändern. Zunächst dachte ich, dass ich nur in der Analysten-Ecke sitzen sollte. Ich hatte bereits andere ehemalige Profis dort gesehen und hielt es für keine komplizierte Sache. Als Profi kennst du dich mit dem Spiel aus, und das ist ein Vorteil bei den Analysen. Aber dann baten sie mich, die Spiele zu kommentieren, wovon ich natürlich keine Ahnung hatte. Ich war absolut nervös und wusste, dass mich eine wirklich stressige Aufgabe erwarten würde.“
Obwohl sich Isaac selbst als schüchtern bezeichnet und bis auf einige Voiceover-Aufnahmen für seine ersten YouTube-Videos keine Erfahrung als Kommentator hatte, nahm er die Herausforderung an. Er dachte zwar, dass für ihn das Kapitel Rocket League beendet wäre, aber diesen Job konnte er aus finanziellen Gründen nicht ausschlagen. Isaac war damals nach eigenen Angaben ein mittelloser Studienanfänger, der sich gerade ein Auto gekauft hatte, das er sich nicht leisten konnte, und den Rest seines Geldes für Lehrbücher ausgab. Die Entscheidung wurde ihm im Grunde abgenommen, und er hatte weniger als eine Woche Zeit, um zu lernen, wie man kommentiert.
Isaac sah sich jede Menge Videos von Rocket League Esports-Events an und schaute sich einiges von beispielsweise „FindableCarpet“ und „Shogun“ ab, die damals zu seinen bevorzugten Castern gehörten. Überall, wo er hinging, hörte er sich diese Sendungen an. Ob beim Sport oder beim Lernen – das energiegeladene Shoutcasting kompetitiver Rocket League-Matches wurde zu seinem alltäglichen Soundtrack. Als dann das besagte Wochenende vor der Tür stand, musste Isaac bei seinem ersten Kommentatorauftritt mit JamesBot zusammenarbeiten.
„Es war furchtbar“, sagt Isaac. „An diesem ersten Wochenende hatte ich echt Angst vor Stille. Stille ist das Tor für die Panik. Ich dachte, ich muss jede Sekunde des Spiels kommentieren, um die Stille auszufüllen. Als es dann doch zu einer Pause kam, hatte ich keine Ahnung, wie ich reagieren sollte. Es fühlte sich an, als müsste ich bei einer Analyse im Chemielabor alle winzigen Details meiner Beobachtungen ausführlich kommentieren. Tatsächlich war alles halb so schlimm. Irgendwann begann es, mir Spaß zu machen.“
Dank einer tollen Unterstützung durch andere Caster und die Mitarbeiter von Rocket League Esports fand Isaac gleich am ersten Tag seinen Rhythmus.
„Meine ganze Angst verwandelte sich in pure Begeisterung“, so Isaac. „Es war, als würde ich ein Match von Rocket League – sowieso eines meiner Lieblingsspiele – zusammen mit einem Freund anschauen. Meine Aufgabe bestand darin, es zu erklären und coole Spielzüge mit Begeisterung zu kommentieren. Das war der perfekte Mix für mich. Wie damals beim besagten Ranglistenspiel gegen SadJunior entfachte auch mein erster Tag als Kommentator eine neue Leidenschaft. Ich war sofort begeistert davon, das Rocket League-Erlebnis für die Zuschauer zu kommentieren.“
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Aus einem ursprünglich einmaligen Auftritt wurde dann eine Karriere. Isaac erzählte Murty „Scheist“ Shah von Rocket League Esports, dass ihn das Kommentieren absolut begeistert hatte und er es gerne öfter machen wollte. In der darauffolgenden Woche wurde er per Anruf für weitere Events engagiert und etablierte sich dann zu einer wichtigen Stütze bei RLCS-Übertragungen.
Dank der neuen beruflichen Situation hatte Isaac jetzt mehr Zeit, sich seiner Liebe zur Musik zu widmen. Nachdem er weitere Kommentatorjobs von Rocket League erhalten hatte, brach er sein Studium ab. Derzeit lebt er mit seiner Verlobten Alejandra und seinen zwei Hunden in Phoenix. Er versucht, unter der Woche fünf Beats pro Tag zu komponieren, während er sich gleichzeitig auf seine Verpflichtungen als RLCS-Kommentator vorbereitet, denen er an Wochenenden nachgeht. Auch wenn Rocket League seine erste Liebe war und er noch davon lebt, will sich Isaac langfristig im Musikgeschäft etablieren. Er meint, er kann sich nicht vorstellen, jemals mit der Musik aufzuhören.
„Als ich einmal mehrere Monate lang keine Musik machen konnte, war das eine sehr schwierige Zeit in meinem Leben. Jetzt würde ich sogar behaupten, dass ich es brauche, um glücklich zu sein. Da ich wie schon erwähnt kein geselliger Mensch bin, füllt die Musik diese Leere. Wenn ich keine Musik mehr machen würde, wäre das, als würde ich einen Teil von mir verlieren.“
Im November letzten Jahres drehte Isaac sein erstes Musikvideo für seinen Song „DREAMS“, und seine ständig wachsende Musikbibliothek findet ihr auf Spotify. Seine Songs „Fixation“ und „Funds“ wurden schon fast eine Million Mal aufgerufen. Als Nächstes will er seine Komfortzone verlassen und live auftreten, aber sein Hauptziel ist es, Musik für ein großes Publikum zu machen.
„Ich will mit meiner Musik wirklich viel erreichen. Mein Ziel ist es, ein erfolgreicher Künstler zu sein. Ich will bekannt sein und eine Plattform haben, auf der ich meine Meinung sagen und meine Gefühle zum Ausdruck bringen kann, um anderen zu helfen. Genau so, wie es mir damals ging, als ich den Hip-Hop entdeckte.“
Seid dabei, wenn Isaac „Turtle“ App die ganze Saison über auf Twitch und YouTube die RLCS-Turniere kommentiert, und hört euch seine Musik auf Spotify an.