Mira and Dog

Jeder Rocket League-Spieler weiß, wie hart man sich alles erkämpfen muss. Es ist schwer, in den Ranglisten aufzusteigen, um vom Bronze- zum Champion-Rang und darüber hinaus zu gelangen. Es gibt immer wieder Rückschläge und Phasen, in denen ihr euch fragt, ob ihr jemals wieder ein Spiel gewinnen werdet, aber gerade diese Herausforderungen machen es umso schöner, wenn ihr eine Siegesserie von fünf Spielen schafft. Miramasa ist für Spacestation Gaming als Content-Creatorin tätig und seit dem letzten Jahr sehr erfolgreich. Abseits des Spielfelds war sie es jedoch schon lange vor dem ersten Rocket League-Anstoß gewohnt, hart zu kämpfen. 

Miramasa (die auch „Mirella“ oder „Mira“ genannt wird) musste sich schon früh beweisen. Ihre Kindheit verbrachte sie mit ihren Eltern und ihrem Bruder in einem kleinen Dorf in den Niederlanden. Schon damals gehörten Videospiele zu ihrem Alltag. Sie begann auf dem Super Nintendo mit Spielen wie Super Mario World und Donkey Kong und wechselte schließlich zur PlayStation und Xbox. Doch bevor sie ihr Hobby zum Beruf machen konnte, musste sich Mira wie die meisten Kinder auf die Schule konzentrieren, wobei sie ihre eigenen Schwierigkeiten hatte. 

Im niederländischen Schulsystem absolvieren die Kinder nach der Grundschule, also im Alter von etwa 12–13 Jahren, einen sogenannten Cito-Test. Dieser Test bestimmt über das weitere Schulniveau des Kindes. Bei Mira wurden damals ein Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom und eine Dyskalkulie diagnostiziert, eine Lernstörung, die sich vor allem beim Rechnen auswirkt – ähnlich wie Legasthenie, aber bei Zahlen. Logischerweise schnitt sie wegen dieses Krankheitsbildes beim Eignungstest nicht besonders gut ab. Er ergab, dass Mira nicht für höhere Bildung geeignet war. 

„Sie haben mich in das zweitunterste Schulniveau eingestuft.“, erinnerte sich Mira. „Das war ziemlich hart. Ich musste ganz unten anfangen und mich hocharbeiten. Aber ich wusste, dass ich besser war. Alle sagten mir, ich wäre dumm, aber ich war überzeugt, dass ich mehr konnte.“

Mit guten schulischen Leistungen kann man solch ein Testergebnis anfechten, und Mira verbrachte die nächsten sechs Jahre damit, sich im Bildungssystem hochzuarbeiten. Schließlich war ihr Ziel eine Karriere als Anwältin. 

„Ich versuche, ein gerechter Mensch zu sein.“, erklärt sie. „Ich kann es nicht ertragen, wenn Wehrlose ungerecht behandelt werden. Das macht mich wirklich verrückt. Wenn ich in meinem Umfeld so etwas miterlebe, setze ich mich immer für die Leute ein. Es ist mir egal, ob man das für streitlustig oder politisch hält. Ich war als Kind schon so. Ich wollte immer etwas tun, um Leuten zu helfen.“

Da Mira kein Geld für ein Studium gespart hatte, musste sie zwei Jobs annehmen, um ihr Jurastudium zu finanzieren. Nach insgesamt 13 Jahren in der Oberstufe und an der Uni besaß sie zwei Master-Abschlüsse in Rechtswissenschaften – einen für Privatrecht und einen weiteren für Strafrecht. Noch vor dem Abschluss ihres Studiums wurde sie von einer Anwaltskanzlei eingestellt. Ihr Studium, ihr neuer Job, der mit einem zweieinhalbstündigen Arbeitsweg verbunden war, und das Wiederaufleben ihres Videospiel-Hobbys nahmen so viel von Miras Zeit in Anspruch, dass ihr Lebensgefühl darunter zu leiden begann. Sie wollte den Leuten mit ihrem juristischen Wissen helfen, ihre Arbeit in der Anwaltskanzlei war jedoch wenig befriedigend. 

„Ich schlief damals ziemlich wenig. Irgendwann brauchte ich Therapie. Es fiel mir schwer, zur Uni und zur Arbeit zu gehen, und dann bekam ich Panikattacken. Nach zwei Jahren musste ich den Job in der Anwaltskanzlei aufgeben. Das war in dem Jahr, als ich meinen Bachelor machte. Ich erledigte nebenher immer noch Rechtsberatung und verschiedene rechtliche Angelegenheiten für einige Firmen, aber ich konnte in dem Rhythmus einfach nicht mehr weitermachen.“

Das war der Moment, als Mira begann, sich wieder mehr den Videospielen zu widmen. Ihre damaligen Mitbewohner spielten sehr viel und sie fand darin eine gute Möglichkeit, sich von ihrem anstrengenden Alltag zu entspannen. Dann entdeckte sie Rocket League und später auch Twitch. 

„Das soziale Erlebnis von Videospielen und vor allem Rocket League gefällt mir. Während meiner Zeit in der Anwaltskanzlei kam ich gar nicht auf die Idee, zu streamen, aber meine Freunde fanden, dass Twitch bestimmt genau das Richtige für mich wäre, weil ich einfach nie den Mund halten kann [sie lacht]. Sie versprachen mir, bei meinen Streams dabei zu sein und mitzuchatten, um mich moralisch zu unterstützen. Also probierte ich es.“

Mira begann Anfang 2020 zu streamen und hat es bisher nicht bereut. Seitdem hat Mira es in ihrem Twitch-Kanal auf 35.000 Follower gebracht, kann eine wachsende Gemeinde auf Twitter und anderen sozialen Medien vorweisen und hat einen Vertrag bei Spacestation Gaming erhalten. Vor kurzem beendete sie einen Subathon. Für diejenigen, die nicht wissen, worum es dabei geht: Ein Subathon ist ein Stream mit einem Timer, der das Ende anzeigt, wobei die Streamzeit jedes Mal verlängert wird, wenn jemand den Kanal abonniert. 

Miramasa Community Spotlight

Der Stream fand im Haus der Eltern ihres Freundes Max statt, wo sie derzeit wohnt. Sie sprach mit Max darüber und entschied sich dann dafür, es auszuprobieren. Mira beendete ihren Subathon nach atemberaubenden 1.000 Stunden und erhielt mehr als 18.000 neue Abonnenten für ihren Kanal. Ursprünglich hatten Mira und Max geplant, dass sie einen ganzen Tag lang streamen würde – einfach nur, um es sich selbst zu beweisen. Es wurde dann aber schnell etwas Größeres daraus. 

„Mein erster Streaming-Tag war ein Erfolg.“, so Mira. „Danach kam der zweite Tag, und ich schlief während des Streams. Wir dachten, dass es am nächsten Tag zu Ende sein würde, weil der Timer irgendwann bei unter drei Stunden stand. Aber dann sorgte die ganze Community für eine Fortsetzung am dritten Tag. Und dann ging es einfach immer weiter. Am Ende streamte ich 41 Tage hintereinander.“

Nach dem Subathon gönnte sich Mira einen Urlaub – es war ihr erster seit vielen Jahren. 

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Trotz ihres schnellen Aufstiegs in der Rocket League-Community fällt es Mira immer noch schwer, ihre Familie davon zu überzeugen, dass dies der richtige Schritt ist, und eine berufliche Karriere, die sie glücklich macht. Sie versucht, ihrem Vater zu erklären, worum es bei ihrer Arbeit als Content-Creatorin geht, aber das ist alles andere als einfach. 

„Mein Vater ist wirklich altmodisch.“, sagt sie. „Auf Familienfeiern erzählt er immer noch, dass ich bald wieder als Anwältin arbeiten werde und dass er nicht wirklich versteht, was ich mache. Furchtbar. Mein Dorf ist so klein und altmodisch. Die Leute dort verstehen nicht, was Twitch ist, selbst wenn ich es ihnen erkläre.“

Mira hat nicht aufgegeben, ihre Familie davon zu überzeugen, dass Content-Creatorin ihr Traumjob ist. Sie erstellte für ihren Vater ein Twitch-Konto unter dem Namen „MiramasaDad“, damit er bei ihren Streams dabei sein kann. Ihre Zuschauer grüßen ihn sogar, wenn er den Stream aufruft. „Er versucht es, und das rechne ich ihm hoch an. Es wird wohl aber noch ein wenig dauern, bis er es wirklich versteht.“

Bei ihrem wachsenden Erfolg wünscht sich Mira sehr, sie könnte ihrer Familie verständlich machen, wie glücklich sie im Vergleich zu ihrer Zeit in der Anwaltskanzlei ist. Sie ist froh, dass sie ihr Studium abgeschlossen hat und dass sie all die Hürden überwunden hat, die man ihr schon früh in der Schule in den Weg gelegt hatte. Aber was ihr wirklich Spaß macht, ist ihre Arbeit als Content-Creatorin. 

„Ich habe mich noch nie irgendwo so wohl gefühlt. In der Anwaltskanzlei hatte ich dieses Gefühl nicht. Ich bin eher alternativ. Ich höre Metal und färbe meine Haare bunt. Ich komme aus einem kleinen Dorf, in man möglichst ‚normal‘ sein soll. Mit der Erstellung von Inhalten und meiner Community habe ich etwas gefunden, wo wir alle irgendwie ungewöhnlich sind, was aber keiner seltsam findet. Jeder akzeptiert den anderen so, wie er ist. Dieses Gefühl kannte ich bisher nicht. Und es macht mich wirklich superglücklich. Das habe ich schon gespürt, als ich mit der Erstellung von Inhalten noch gar nicht so gut verdiente. Und jetzt kann ich mir nicht mehr vorstellen, irgendwann damit aufzuhören.“

Folgt Mira auf Twitter und schaut bei ihrem Twitch-Kanal vorbei.